Gert Loschütz: Ein schönes Paar

Wortlosigkeit

Normalerweise schätzen Autoren die Frage nach der autobiografischen Grundlage ihrer Romane nicht, im Falle von Ein schönes Paar von Gert Loschütz ist dagegen bekannt, dass die Geschichte auf dem elterlichen Schicksal basiert. Der Schöffling Verlag hat den Roman, in dem es aufgrund der „Wortlosigkeit“ der Protagonisten viele Lücken und Vermutungen gibt, mit einem sehr stimmigen Cover versehen, das genau diese Sprachlosigkeit ausstrahlt.

Als die Eltern des Ich-Erzählers Philipp Karst kurz hintereinander versterben, der Vater Georg in seinem Haus, die Mutter Herta in einem Altersheim, löst das bei ihm den Wunsch aus, ihrem Leben noch einmal nachzuspüren. Einst galten sie als „schönes Paar“, die letzten über 40 Jahre jedoch lebten sie getrennt. Der Sohn, Fotograf, meint, „dass das ganze Erzählen nur einen einzigen Sinn hat: die auf keinem Film überlieferten Bilder aufzubewahren.“ Ich hatte darüber hinaus den Eindruck, dass er auf der beharrlichen Suche nach einem Hinweis für eine Annährung zwischen ihnen war, entgegen aller sichtbarer Zeichen, und es scheint am Ende nicht ganz ausgeschlossen, dass er ihn gefunden hat.

Gert Loschütz siedelt den Beginn der Geschichte in der fiktiven Kleinstadt Plothow in Brandenburg an, wo sich die Eltern 1939 kennenlernten. Herta, die hübsche, modeaffine junge Schneiderin, träumte von einer Karriere als Mannequin, Georg war Berufssoldat und sofort verliebt. 1942 wurde geheiratet, 1945 kam Georg aus dem Krieg zurück nach Plothow, etablierte sich auf einer leitenden Stelle im örtlichen Stahlwerk und wurde Parteimitglied. Während Herta aus Angst vor der DDR-Politik ihre Zukunft im Westen sah, wäre Georg geblieben, wenn ihn im Frühjahr 1957 nicht ein brandgefährlicher Brief zur überstürzten Flucht gezwungen hätte. Herta kam mit dem Sohn Philipp nach, das ersparte Geld in Form einer hastig erstandenen Exakta-Kamera im Gepäck, ein Kauf, der eine Kette von Ereignissen auslöste und kurz darauf in der neuen Heimat Tautenburg zum endgültigen Bruch führte. 29 Jahre blieb die Mutter fern und schickte nur Karten ohne Absender an den Sohn, bevor sie überraschend in den Ort zurückkehrte und schließlich nach einem psychischen Zusammenbruch im Heim landete.

Der Ich-Erzähler steht beiden Eltern distanziert gegenübersteht, nennt sie beim Vornamen, führte nie mehr als oberflächliche Gespräche mit ihnen und geht selbst keine feste Beziehung ein. Dass er mehr für sie empfand, konnte ich lediglich aus der Tatsache erahnen, dass er sich ihre Wiederannäherung so sehr wünschte.

Dass Gert Loschütz nicht nur Romane, sondern auch Gedichte verfasst, wird an vielen Stellen im Text sichtbar, seine Tätigkeit als Drehbuchautor spürt man besonders während der dramatischen Szenen kurz vor und während Georgs Flucht in den Westen, die besonders gelungen sind. Schade nur, dass Philipp die Geschichte gar so sachlich erzählt, ein bisschen mehr Empathie hätte ich mir gewünscht.

Viele offene Fragen haben die Eltern mit ins Grab genommen, trotzdem ist der Roman sehr interessant zu lesen und daher empfehlenswert.

Gert Loschütz: Ein schönes Paar. Schöffling & Co. 2018
www.schoeffling.de

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